Zwischen Dunkel und Licht — Glückspunkt und Geistespunkt in der Astrologie

Dieser Artikel zeigt dir, wie du die beiden wichtigsten Lospunkte in der Astrologie – den Glückspunkt und den Geistespunkt – in einem Horoskop einfach und schnell berechnest. Des Weiteren erfährst du, welche astrologischen und philosophischen Grundlagen hinter diesen Berechnungen stecken und wie durch diese die Bedeutungen von Glückspunkt und Geistespunkt entstanden sind. Die Grundlagen der Deutung sowie die Berechnung der Lospunkte durch Computerprogramme sind ebenfalls Themen dieses Artikels. Sei gespannt!


Inhalt

  1. Herkunft und Idee hinter dem Konzept der Lospunkte
  2. Der Gebrauch von Losen in antiker und in heutiger Zeit
  3. Die Besonderheit des Glückspunktes und des Geistespunktes
  4. Sonderstellung von Sonne und Mond – Unterscheidung zwischen Tag- und Nachtgeburt
  5. Dunkel und Licht – Grundlage für die Entstehung der Bedeutungen des Glückspunktes und Geistespunktes
  6. Die Glyphen von Glückspunkt und Geistespunkt
  7. Traditionelle Berechnung der astrologischen Lospunkte
  8. Einfache und schnelle Berechnung
  9. Formeln für die Berechnung des Glückspunktes und Geistespunktes
  10. Praktische Beispiele
  11. Deutung der Lospunkte
  12. Analyse in vier Schritten
  13. Computerprogramme und die Berechnung von Lospunkten
  14. Ein Wort zum Schluß

Herkunft und Idee hinter dem Konzept der Lospunkte

Die Verwendung von Lospunkten in der Astrologie geht bis in das 1. Jh. v. Chr. und die griechisch-römische astrologische Tradition zurück. Aus dieser Zeit stammt auch die ursprüngliche Bezeichnung der Lospunkte, die aus dem griechischen Wort κλῆρος (klēros = dt. Los) abgeleitet wurde. So sprechen die antiken Schriften z.B. vom »Los des Glücks«, »Los der Notwendigkeit« und »Los der Mutter«.

Lospunkte gab es an die hundert, von denen jedoch meist nur eine kleine ausgewählte Menge aktiv in Gebrauch war. Zu diesen zählen die sieben hermetischen Lospunkte, von denen jeder einem der sieben traditionellen, mit bloßem Auge sichtbaren, Planeten zugeteilt ist. Sowohl der Glückspunkt als auch der Geistespunkt zählen zu den hermetischen Lospunkten. Der Glückspunkt wird dem Mond zugeteilt. Der Geistespunkt wiederum wird mit der Sonne in Verbindung gebracht.

In antiker Zeit war man im Allgemeinen der Ansicht, dass das Leben vom Schicksal bestimmt sei, dem es sich letztlich zu fügen galt. Das Resultat daraus sollte jedoch nicht das Resignieren gegenüber einer aktiven Lebensgestaltung sein, sondern eine Lebensführung in Bedacht sowie einer gewissen Standhaftigkeit gegenüber den Höhen und Tiefen des Lebens. Im besten Sinne sollte der Mensch lebensbejahend und sein Schicksal liebend leben.

Das Konzept der Lospunkte war nun ebenfalls mit der weit verbreiteten Idee einer göttlichen Vorsehung verbunden. So wurden die astrologisch berechneten Lospunkte als die dem Menschen bei seiner Geburt zugeteilten “Lose” oder “Anteile” für seinen bevorstehenden Lebensweg angesehen. Die Himmelslose wurden also nach astrologischer Ansicht jedem gemäß göttlicher Bestimmung zugeteilt.

In der Literatur findet man mitunter die Bezeichnungen »Sensitive Punkte« und »Arabische Punkte« wenn es um die Lospunkte geht. Letztere ist insofern irreführend, da die Entstehung des Konzeptes der Lospunkte auf eine viel ältere Zeit zurückzuführen ist, als auf die arabische astrologische Tradition, die erst im Mittelalter begann. Es ist also passender von »Lospunkten« oder »Losen« zu sprechen, was auch, wie oben bereits erwähnt, dem ursprünglichem gr. Begriff klēros, bzw. klēroi (dt. Lose) getreu wird.

Der Gebrauch von Losen in antiker und in heutiger Zeit

In antiker Zeit beschäftigte man sich im Allgemeinen gern mit Fragen des göttlichen Einflusses im Leben der Menschen. Das Ziehen von Losen u.Ä. sah man als Hilfsmittel, durch welches der göttliche Wille den Menschen offenbart wurde. Die Verwendung von Losen war eher praktischer als sonderlicher Natur. Lose kamen vielseitig und unabhängig von Glaubensrichtung und sozialem Stand zum Einsatz.

Über das Leben in der römisch-griechischen Antike gibt u.a. das Neue Testament der Bibel Auskunft. In Apostelgeschichte 1, 23-26 kann z.B. gelesen werden, dass die Apostel, nach dem sie zu Gott gebetet hatten, Lose verwendeten, durch die ihnen Gott zeigen möge, ob Josef oder Matthias bestimmt war, in den Kreis der Apostel aufgenommen zu werden. Das Los fiel auf Matthias und so wurde er, anstatt Josef, den Aposteln zugezählt. Das Suchen nach göttlicher Hilfestellung durch die Verwendung von Losen ist aber weitaus älter und kann schon im Alten Testament wiedergefunden werden.

Der Gebrauch von Losen reicht bis in die heutige Zeit. Die bekannteste Form in christlichen Kreisen ist wohl das Losen der täglichen Bibelverse, welches im Voraus für ein Jahr, durch die ‘Evangelische Brüder-Unität – Herrnhuter Brüdergemeine’ vorgenommen wird. Diese werden »Die Losungen – Gottes Wort für jeden Tag« genannt. Zur Geschichte der »Losungen« kannst du hier lesen. Über das Auslosen der Bibelverse in heutiger Zeit heißt es dort: “Dabei wird die alttestamentliche »Losung« aus 1824 Bibelversen gelost.” Seit 1930 wird von der ‘Ökumenischen Arbeitsgemeinschaft für Bibellesen’ (ÖAB) die »Jahreslosung«, ein Bibelvers zum Leitspruch für ein ganzes Jahr, ausgewählt. Die Jahreslosung für 2019 lautet “Suche Frieden und jage ihm nach!” (Psalm 34,15). Hinter diesem Link findest du eine Auflistung aller Jahreslosungen von 1930 bis in die Zukunft (!), denn die Losungen werden immer drei Jahre im Voraus vorgenommen. Welche Jahreslosung war wohl im Jahre deiner Geburt aktuell?

Das Verwenden von Losen findet sich natürlich auch außerhalb gläubiger Kreise, so z.B. in der Lotterie und auf dem Jahrmarkt. Das »Streichholz ziehen«, »Münzen werfen« und der Gebrauch von Würfeln sind ebenfalls weit bekannte Mittel um jemanden oder etwas auszulosen und das Ergebnis dem Schicksal, bzw. der “göttlichen Instanz” zu überlassen. Welche Bedeutung aber steckt nun hinter den zwei wichtigsten astrologischen Losen, bzw. Lospunkten, dem Glücks- und dem Geistespunkt? Darum geht es in den folgenden Abschnitten.

Die Besonderheit des Glückspunktes und des Geistespunktes

Für das Verständnis um die Bedeutung der einzelnen Lospunkte ist wichtig zu wissen, wie diese berechnet werden, bzw. aus welchen Faktoren sich diese zusammensetzen. Wie bereits erwähnt, sind der Glückspunkt und der Geistespunkt die beiden wichtigsten Lospunkte in der Astrologie. Aber warum?

Das Besondere am Glückspunkt und am Geistespunkt ist, dass diese aus der Entfernung zwischen den beiden großen Lichtern Sonne und Mond im Horoskop ermittelt werden. Die anderen Lospunkte werden entweder durch andere Planeten oder aber in Verbindung des Glückspunktes oder Geistespunktes ermittelt. Somit sind die beiden wichtigsten Lospunkte gleichfalls die Grundlage für die Berechnung weiterer Lospunkte.

Sonderstellung von Sonne und Mond – Unterscheidung zwischen Tag- und Nachtgeburt

Sonne und Mond haben eine Sonderstellung in der Astrologie. Nach ursprünglichem astrologischem Modell werden die Planeten in zwei Gruppen eingeteilt, eine Tag- und eine Nachtsektion. Sonne und Mond sind, als die sich jeweils abwechselnden beiden großen Lichter, die Herrscher der beiden Sektionen. Die Sonne herrscht über den Tag und ist Vorsteher der Tagsektion, zu der Jupiter und Saturn gehören. Der Mond herrscht über die Nacht und ist Vorsteher der Nachtsektion, zu der Mars und Venus zählen. Merkur wird in einem Horoskop individuell durch verschiedene Faktoren entweder der Tag- oder Nachtsektion zugeteilt.

Das Konzept der Sektion ist Grundlage für viele astrologische Techniken und Deutungen. Auch für die Berechnung des Glückspunktes und Geistespunktes ist die Sektion wichtig, denn die Formel zur Ermittlung dieser Lospunkte hängt davon ab, ob es sich um eine Tag- oder Nachtgeburt handelt. Dies hat bedeutende philosophische Gründe, zu denen wir später noch kommen.

Für die Berechnung der beiden Lospunkte musst du also wissen, ob es sich um ein Tag- oder Nachthoroskop handelt. Das ist ganz einfach herauszufinden. Liegt die Sonne oberhalb der Aszendent/Deszendent-Achse, handelt es sich um ein Taghoroskop. Liegt die Sonne hingegen unterhalb der Aszendent/Deszendent-Achse, handelt es sich um ein Nachthoroskop. In der Grafik unten befindet sich die Sonne im linken Bild oberhalb der Horizontlinie (Taghoroskop). Im rechten Bild befindet sich die Sonne unterhalb der AS/DS-Achse (Nachthoroskop). Mehr zum Thema Sektion erfährst du in diesem 8-minütigem Video von Chris Brennan: Sect: The Difference Between Day and Night Charts. 

Grafik: Unterscheidung Tag- und Nachthoroskop
Unterscheidung von Tag- und Nachthoroskopen: Befindet sich die Sonne oberhalb der Aszendent/Deszendent-Achse, handelt es sich um ein Taghoroskop (Bild links). Befindet sich die Sonne hingegen unterhalb der Horizontlinie, handelt es sich um ein Nachthoroskop (Bild rechts).

Dunkel und Licht – Grundlage für die Entstehung der Bedeutungen des Glückspunktes und Geistespunktes

Der Glückspunkt (klēros tychēs) wird vorrangig mit dem Körper assoziiert, während der Geistespunkt (klēros daimonos) mit der Seele und dem Intellekt in Verbindung gebracht wird. Der Astrologe Vettius Valens (2. Jh. n. Chr.) schreibt in seiner Anthologie Buch 2, Kapitel 20,1: “Das Glücks-Los nämlich gibt Auskunft über Künste, die sich auf den Körper (sōma) beziehen, und über handwerkliche Fähigkeiten, der Geist und der Herr jedoch gibt Auskunft über Seele (psychē), Geist und Handlungen, bei denen gesprochen oder gegeben und genommen wir.” (Übersetzung nach Schönberger und Knobloch, 2004).

Der Hintergrund dieser Verbindung wird deutlich, wenn man sich die Formeln für die Ermittlung der beiden Lospunkte etwas näher ansieht. Die Berechnung besteht immer aus denselben Komponenten (Sonne, Mond und Aszendent), ist aber in einem Taghoroskop anders als in einem Nachthoroskop. Kurz – Sonne und Mond tauschen ihre Plätze, je nachdem, ob es sich um eine Taggeburt oder Nachtgeburt handelt. Warum ist das so? Das finden wir heraus, wenn wir uns die Gemeinsamkeit der Berechnung des Glückspunktes und des Geistespunktes ansehen. Die Berechnungen werden weiter unten noch genauer erklärt. Hier soll es erst einmal nur um den philosophischen Hintergrund gehen.

In einem Taghoroskop errechnen wir den Glückspunkt, in dem wir den Abstand von Sonne zu Mond messen und diesen dann zum Aszendenten addieren. In einem Nachthoroskop wiederum errechnet sich der Glückspunkt durch den Abstand von Mond zu Sonne, welcher dann zum Aszendenten addiert wird. Die Gemeinsamkeit hier besteht darin, dass wir vom vorherrschenden Licht (bei Tag die Sonne) zum nicht vorherrschenden Licht (bei Tag der Mond) zählen. Wir ermitteln also den Glückspunkt, in dem wir vom Licht zum Dunkel rechnen. Das Dunkle wird mit Körperlichem, dem Leib und der physischen Inkarnation assoziiert. So wurde der Glückspunkt ebenfalls hauptsächlich mit dem Körper in Verbindung gebracht. Der Glückspunkt wurde weiterhin mit Tyche (römisch Fortuna), der Göttin des Glücks, der guten sowie bösen Fügung, assoziiert.

Der Geistespunkt jedoch wird so errechnet, dass wir in einem Taghoroskop von Mond zu Sonne, also von nicht vorherrschendem Licht zu vorherrschendem Licht, zählen und diese Distanz dem Aszendenten zurechnen. In einem Nachthoroskop zählen wir jedoch von Sonne zu Mond, was ebenfalls die Richtung von nicht vorherrschendem Licht zu vorherrschendem Licht, ist. Dieser Abstand wird gleichfalls zum Aszendenten addiert. Um den Geistespunkt zu ermitteln, zählen wir also vom Dunkel zum Licht. Das Licht wird mit dem Geist, der Seele (oder auch Psyche) in Verbindung gebracht. So steht der Geistespunkt, wie auch der Name schon sagt, für eben diese Dinge.

Die Glyphen von Glückspunkt und Geistespunkt

Das Symbol für den Glückspunkt ist ein Kreis mit einem Kreuz. Es ist der Glyphe für die Erde ähnlich – mit dem Unterschied, dass im Symbol des Glückspunktes das Kreuz diagonal gezeichnet ist, also wie ein ‘X’ aussieht.

Symbol für den Glückspunkt:

Während das Symbol für den Glückspunkt weit bekannt und in aktivem Gebrauch ist, ist das Symbol für den Geistespunkt noch recht jung. Dies liegt daran, dass astrologische Bezeichnungen in der Antike im Allgemeinen ausgeschrieben wurden, es also zur Zeit der Entstehung ursprünglicher astrologischer Techniken, bis auf einige wenige Ausnahmen, keine Symbole gab. Weiterhin waren zur Zeit der Entstehung und des Übergangs zum Gebrauch von Glyphen im Mittelalter bereits einige Techniken verloren gegangen. Bis auf den Glückspunkt waren die Lospunkte nebst anderer Konzepte lange in Vergessenheit geraten. Durch die Wiederentdeckung und Übersetzung antiker Schriften in den letzten zwanzig-dreißig Jahren, wurde man erneut auf das ursprüngliche Konzept der Lospunkte aufmerksam. Nun geht es also darum, auch Symbole für andere Lospunkte zu finden.

Im Jahre 2014 veröffentlichte der amerikanische Astrologe Chris Brennan auf seiner Internetseite einen Artikel unter dem Namen Proposing a Glyph for the Lot of Spirit, in dem er ein Symbol für den Geistespunkt vorschlägt. Das von Brennan vorgeschlagene Symbol ist schlicht ein Kreis mit einem senkrechten Strich in der Mitte, welches dem griechischen Alphabet, nämlich dem Buchstaben ‘Phi’ entspringt. Mehr zum Hintergrund dieser Wahl findest du im oben angegebenen Artikel von Brennan. Mittlerweile haben sich schon einige Computerprogramme für die Verwendung dieser Glyphe des Geistespunktes entschieden. Auch ich verwende in diesem Artikel das von Brennen vorgeschlagene Symbol.

Symbol für den Geistespunkt: Φ

Traditionelle Berechnung der astrologischen Lospunkte

Generell werden die Lospunkte in zwei Schritten berechnet. Zuerst wird der Abstand zwischen zwei Faktoren (Planeten oder Punkte) im Horoskop gemessen. Danach wird dieser Abstand in Verbindung zum Aszendenten gesetzt. Gerade die Projektion des Abstandes der zwei Faktoren zum Aszendenten hat hier eine bedeutende Rolle. Im Beispiel von Glücks- und Geistespunkt bekommt nämlich die Beziehung von Mond und Sonne (Mondphase), die sonst für alle am selben Tag Geborenen gleich ist, durch das in Verbindung setzen zum Aszendenten, eine tiefere persönliche Bedeutung für den Horoskopeigner.

Traditionell wird immer von A nach B in Tierkreiszeichenrichtung, also entgegengesetzt dem Uhrzeigersinn, gemessen. Dieser Abstand wird dann ebenfalls in Tierkreiszeichenrichtung zum Grad des Aszendenten addiert. Ursprünglich gab man die Anleitung für die Berechnung der Lospukte immer schriftlich an. In heutiger Zeit wird die Berechnung meist mathematisch wie folgt dargestellt: Lospunkt = Aszendent + A − B.

Einfache und schnelle Berechnung

Die Lospunkte können jedoch auch schneller und visuell einfacher ermittelt werden, indem man den kürzesten Abstand zwischen A und B misst, und diesen dann in gleicher Richtung zum Grad des Aszendenten addiert. Hier ist es gleich, in welche Richtung gemessen wird. Wichtig ist aber, dass dieselbe Richtung in beiden Schritten eingehalten wird!

Ob nun traditionell immer in Tierkreiszeichenrichtung gemessen, oder nach dem kürzesten Abstand ausgegangen wird – das Ergebnis ist immer gleich. Die Berechnung nach dem kürzesten Abstand ist jedoch einfacher und zeitsparender.

Formeln für die Berechnung des Glückspunktes und Geistespunktes

Nun kommen wir zur eigentlichen Berechnung des Glückspunktes und Geistespunktes in einem Horoskop. Diese können wie in der folgenden Grafik dargestellt werden. Die Ermittlung der Lospunkte wird immer in dieser Form bzw. Reihenfolge eingehalten, egal ob die Berechnung nach traditionellem oder einfachem Modell stattfindet. In den anschließenden Beispielen habe ich jedoch die einfache Methode gewählt, die von der kürzesten Entfernung zwischen den beiden Lichtern, Sonne und Mond, ausgeht.

Grafik: Berechnung Glückspunkt und Geistespunkt
Darstellung der Berechnung des Glückspunktes und Geistespunktes in Tag- und Nachthoroskopen.

Praktische Beispiele

Berechnung des Glückspunktes

Im unten aufgeführten Beispiel für die Berechnung des Glückspunktes in einem Taghoroskop, liegt der kürzeste Abstand zwischen den benötigten Faktoren, also Sonne und Mond, in entgegengesetzter Richtung des Tierkreises gemessen. Wir zählen also in diesem Beispiel in Uhrzeigerrichtung (Grafik links). Der Abstand, gemessen von Sonne zu Mond (nicht andersrum!), beträgt hier 138º. Diese Gradzahl addieren wir in derselben Richtung, also wieder in Uhrzeigersinn, zum Grad des Aszendenten, der hier bei 14º Krebs liegt (Grafik rechts). Der Glückspunkt befindet sich in diesem Beispiel bei 26º Wassermann.

Grafik: Berechnung Glückspunkt Tagformel
Ermittlung des Glückspunktes in einem Taghoroskop. Die Distanz zwischen den beiden Lichtern wird hier immer ausgehend von Sonne zu Mond errechnet.

Im unten stehenden Beispiel für die Berechnung des Glückspunktes in einem Nachthoroskop liegt der kürzeste Abstand wiederum gemessen in Tierkreiszeichenrichtung, also entgegengesetzt dem Uhrzeigersinn (Grafik links). Auch hier wird in beiden Schritten der Berechnung dieselbe Richtung eingehalten. Zwischen Mond und Sonne (Richtung beachten!) liegen 64º. Wenn wir dieselbe Gradzahl vom Aszendenten ausgehend in dieselbe Richtung messen, kommen wir bei 11º Jungfrau an (Grafik rechts).

Grafik: Berechnung Glückspunkt Nachtformel
Ermittlung des Glückspunktes in einem Nachthoroskop. Die Distanz zwischen den beiden Lichtern wird hier immer in Richtung Mond zu Sonne berechnet.

Berechnung des Geistespunktes

Zur Ermittlung des Geistespunktes in einem Taghoroskop messen wir die Entfernung immer in Richtung Mond zu Sonne. Im Beispiel unten liegt die kürzeste Entfernung gemessen entgegengesetzt der Tierkreiszeichenrichtung, also in Uhrzeigerrichtung (Grafik links). Der Abstand zwischen Mond und Sonne beträgt 153º. Diesen Abstand zählen wir nun in der gleichen Richtung zum Aszendenten (Grafik rechts). Der Geistespunkt liegt in diesem Beispiel bei 5º Fische.

Grafik: Berechnung Geistespunkt Tagformel
Ermittlung des Geistespunktes in einem Taghoroskop. Die Distanz zwischen den beiden Lichtern wird hier immer ausgehend von Mond zu Sonne errechnet.

Bei der Berechnung des Geistespunktes in einem Nachthoroskop gehen wir immer von der Sonne aus. Der kürzeste Abstand von Sonne zu Mond im folgenden Beispiel liegt gemessen in Tierkreiszeichenrichtung und beträgt 111º. Wenn wir diese Entfernung zum Aszendenten in gleicher Richtung hinzufügen, gelangen wir zu 1º Fische. Hier befindet sich also der Geistespunkt in diesem Beispiel.

Grafik: Berechnung Geistespunkt Nachtformel
Ermittlung des Geistespunktes in einem Nachthoroskop. Die Distanz zwischen den beiden Lichtern wird hier immer ausgehend von Sonne zu Mond errechnet.

Deutung der Lospunkte

Die Lospunkte geben zusätzliche Blickwinkel zu den Themen, die mit ihnen assoziiert werden. Die Deutung der Lospunkte geschieht also niemals getrennt vom Kontext des gesamten Horoskops! Im Vordergrund steht immer die Analyse der Planeten und Häuser und deren Herrscher. Erst wenn die Deutung durch die Grundfaktoren stattgefunden hat, werden die Lospunkte in die Analyse mit einbezogen.

Wie wir nun wissen, wird der Glückspunkt mit dem Physischen und der Materie in Verbindung gebracht, worauf dieser weiterhin für materielles Glück oder Unglück steht. Über den Glückspunkt wird gesagt, dass er für jenes Glück/Unglück steht, welches den Horoskopeigner ohne sein eigenes Zutun befällt. Dieser Lospunkt steht also für das, was einem bildlich gesprochen “in den Schoß fällt”, sei es nun Gutes oder weniger Wünschenswertes. Hier ist u.a. eine Analogie zu finanziellen Mitteln zu sehen. In einer Horoskopanalyse wird man dieses Thema jedoch zuerst durch die mit diesem Thema assoziierten Häuser und Planeten analysieren. Der Glückspunkt kann dann mögliche Tendenzen entweder abschwächen oder bestärken.

Der Geistespunkt und seine Assoziation mit der Seele (bzw. Psyche) gibt zusätzliche Auskunft über die Mentalität und die Gesinnung des Horoskopeigners. Vom Geistespunkt wird in den antiken Texten gesagt, dass er u.a. Auskunft gibt über das “was man tut”. So kann dieser z.B. Einblicke in berufliche Neigungen geben.

Analyse in vier Schritten

Bei der Analyse der Lospunkte wird nach gleichen traditionellen Grundsätzen vorgegangen, die auch zur Grunddeutung eines Horoskops angewendet werden. Es werden folgende Faktoren untersucht:

    • das Zeichen, in das der Lospunkt fällt (Charakteristik, Modalität, Polarität)
    • das Ganzzeichenhaus bzw. der Ort, in den der Lospunkt fällt (Signifikation, Handelt es sich um einen guten oder dunklen, aktiven oder inaktiven, kardinalen, fallenden oder folgenden Ort?)
    • die Ganzzeichen-Aspekte der Planeten zum Lospunkt (Sind die Planeten Wohltäter oder Übeltäter? Handelt es sich um weiche oder harte Aspekte? Gehören die Planeten zur vorherrschenden Sektion oder nicht?)
    • der Herrscher des Lospunktes (Charakteristik und Bedeutung des Planeten, Lage in Bezug auf Zeichen und Ort, Konfiguration mit anderen Planeten, Steht der Herrscher in einem traditionellem Aspekt zum Lospunkt oder befindet er sich in Aversion?)

Diese sind die grundlegenden Schritte in der Deutung der Lospunkte. Mehr zu den traditionellen Deutungstechniken und zur Berechnung und Analyse der Lospunkte findest du in den am Ende dieses Artikels angegebenen Quellen (Chris Brennan, Rafael Gil Brand). Antike Schriften die Auskunft über den Glückspunkt und den Geistespunkt geben sind u.a. die Anthologie des Vettius Valens, die Eisagogika des Paulus Alexandrinus und das Carmen Astrologicum des Dorotheos von Sidon.

Computerprogramme und die Berechnung von Lospunkten

Es gibt Computerprogramme, die den Glückspunkt als Grundberechnung mit einbeziehen. Andere Programme zählen den Glückspunkt als zusätzlichen Faktor, der extra für die Berechnung ausgewählt werden muss und somit eine Änderung der Einstellungen erfordert. Der Geistespunkt, falls als Option vorhanden, muss oft ebenfalls extra ausgewählt werden. In der Möglichkeit für die Berechnung weiterer Lospunkte gibt es große Unterschiede zwischen den verschiedenen Computerprogrammen.

Aber Achtung! Nicht alle Programme berechnen die Lospunkte nach den erforderlichen Regeln. In einigen Programmen wird der Glückspunkt nur mit einer Formel, unabhängig von Tag- oder Nachthoroskop, berechnet! Manchmal findet sich jedoch in den Einstellungen die Möglichkeit, die Formel für die Berechnung der Lospunkte im Falle einer Nachtgeburt umzudrehen.

Es gibt zwei Internetseiten, auf denen das Berechnen eines Horoskops kostenfrei möglich ist und welche auch die Berechnung einiger Lospunkte anbieten. Das ist zum einen die Seite https://www.astro.com/ (verfügt über deutsches Sprachmenü) und zum anderen https://www.astro-seek.com/ (in Englisch). Beiden Seiten berechnen Glückspunkt und Geistespunkt nach ursprünglicher Manier.

    • Bei astro.com finden sich der Glückspunkt und der Geistespunkt am Ende folgenden Pfades (setzt Benutzerkonto und fertig gespeicherte Geburtsdaten voraus): Nach Einloggen → Gratis Horoskope → Erweiterte Grafikauswahl → unter Rubriken/Zeichnungsmethode → Hellenistisch → Horoskopzeichnung anzeigen. Die Lospunkte werden nun grafisch in einer Horoskopzeichnung angezeigt. Hier heißen der Glückspunkt und der Geistespunkt kurz »Glück« und »Daimon«.
    • Bei astro-seek.com finden sich Glückspunkt und Geistespunkt wie folgt: Free Horoscopes → unter Traditional Astrology Calculations ‘Lot of Fortune, Lot of Spirit, Lot of Eros’ auswählen → Geburtsdaten eingeben und ‘Calculate Lots’ anklicken. Hier werden die Lospunkte sowohl ausgeschrieben und mit ihren jeweiligen Berechnungen als auch mit ihren Glyphen in einer Grafik angegeben. Astro-Seek ist meine derzeitige Empfehlung in Bezug auf kostenfreie Horoskopberechnungen online!

Ein weiteres kostenfreies Programm, welches die Lospunkte nach ursprünglicher Methode unterscheidend zwischen Tag- und Nachtgeburt berechnet, ist Planetdance. Dieses wird derzeit von Jean Cremers und einigen anderen Programmierern aktiv mit immer neuen Optionen ausgestattet und verfügt jetzt schon über eine äußerst erstaunlich breite Facette an verschiedenen Berechnungen sowohl moderner als auch antiker Techniken. Auch für die vedische Astrologie stellt Planetdance immer mehr Berechnungsmöglichkeiten zur Verfügung. Der Glückspunkt und der Geistespunkt finden sich in diesem Programm u.a. wie folgt: Horoscope → Classical → Ed Greek Horoscope. Hier ist der Geistespunkt mit einem auf der Spitze stehendem Quadrat gekennzeichnet. Eine Liste mit weiteren unzähligen Lospunkten findet sich unter Horoscope → Arabics. Planetdance entwickelt sich mit großen Schritten stetig weiter. Die hier angegebenen Informationen und Pfade beziehen sich auf ein Update vom 23.4.2019. Planetdance kann über folgenden Link kostenfrei heruntergeladen werden: https://www.jcremers.com/. Dieses Programm ist ebenfalls eine Empfehlung!

Für traditionell gesinnte Astrologen und an den ursprünglichen Techniken der Astrologie Interessierte ist das von Curtis Manwaring geschaffene Programm Delphic Oracle ein Tipp. Dies mag vielleicht durch die vielen Einstellungsmöglichkeiten zu Beginn ein wenig Mühe bei der Inbetriebnahme bereiten, ist aber auf jeden Fall ein großartiges Werkzeug für die klassische Horoskopberechnung und Deutung. Glückspunkt und Geistespunkt finden sich in Delphic Oracle unter vielen anderen Möglichkeiten z.B. so: Edit → Chart Design → Visibility → hier Fortune und Spirit auswählen und mithilfe des Pfeiles in die rechte Spalte versetzen → Button für speichern klicken (Diskette) → Save klicken. Die Lospunkte werden beim Öffnen des nächsten Horoskops, oder nach erneutem Anklicken des Namens des schon geöffneten Horoskops unter ‘Opened Charts’, sichtbar. Delphic Oracle kann käuflich über den folgenden Link erworben werden: http://www.astrology-x-files.com/delphicoracle-download.html.

Zwei weitere Programme, die speziell für die klassische Astrologie ausgelegt sind, will ich hier noch kurz erwähnen: Morinus und Valens. Beide Programme sind kostenfrei und ermöglichen die Berechnung von Lospunkten. In Valens sind die sieben hermetischen Lospunkte in einer Tabelle abzulesen. In Morinus müssen die Formeln für die Lospunkte vorher per Hand eingetragen werden.

Für die Benutzer von ‘Solar Fire‘, hier noch ein kurzes Video von Chris Brennan, in welchem erklärt wird, wo die Einstellungen für den Geistespunkt zu finden sind: How to Add the Lot of Spirit to Charts in Solar Fire.

Ein Wort zum Schluß

Die Idee und der philosophische Hintergrund hinter dem Konzept der Lospunkte lassen Fragen über die eigene Weltanschauung aufkommen. Vor allem jeder Berufsastrologe, aber auch jeder Laie wird sich hin und wieder die Frage stellen, was er über Schicksal, freien Willen und göttliche Führung denkt – hat doch unsere Sicht über das Leben einen beträchtlichen Einfluss auf unsere Deutung eines Horoskops.

Zu meinen eigenen Gedanken über Schiksal, Glaube, freier Wille und die Astrologie kannst du in meinem Artikel In Faith and in Fate – A Believers View on Astrology (in Englisch) lesen.

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Quellen und weiterführende Literatur:

Bücher

Brand, Rafael Gil. Lehrbuch der klassischen Astrologie. Chiron Verlag, 2000.

Brennan, Chris. Hellenistic Astrology: The Study of Fate and Fortune. Amor Fati Publications, 2017.

Kratz, Reinhard G. und Spieckermann, Hermann. Vorsehung, Schicksal und göttliche Macht. Antike Stimmen zu einem aktuellen Thema. Mohr Siebeck, 2008.

Übersetzungen von Vettius Valens’ Anthologie

Valens, Vettius. Blütensträuße. Übersetzt von Otto Schönberger und Eberhard Knobloch. (Subsidia Classica, Bd 7) St. Katharinen: Scripta Mercaturae Verlag, 2004.

Valens, Vettius. Anthologies. Übersetzt von Mark Riley, 2010. https://www.csus.edu/indiv/r/rileymt/vettius%20valens%20entire.pdf.

Fernstudium in hellenistischer Astrologie

Brennan, Chris. The Hellenistic Astrology Course. https://courses.theastrologyschool.com/courses/hellenistic-astrology-course.

Artikel

Brennan, Chris. Proposing a Glyph for the Lot of Spirit. http://www.hellenisticastrology.com/2014/07/17/glyph-for-the-lot-spirit/. Zuletzt aufgerufen: 24.4.2019.

Brennan Chris. The Theoretical Rationale Underlying the Seven Hermetic Lots. https://www.google.com/url?sa=t&rct=j&q=&esrc=s&source=web&cd=13&ved=2ahUKEwi58Z2Dx_3hAhXSpYsKHVuTCFsQFjAMegQIBhAC&url=http%3A%2F%2Fwww.chrisbrennanastrologer.com%2FBrennan-Theoretical-Rationale.pdf&usg=AOvVaw1A51Eni8MxCQQP2id4sSAY. Zuletzt aufgerufen: 2.5.2019.

Sandra Sweeny Silver. Casting Lots in the Bible. https://earlychurchhistory.org/beliefs-2/casting-lots-in-the-bible/. Zuletzt aufgerufen: 6.5.2019.

Seven Stars Astrology. Lots | Introducing the Four Principal Lots. http://www.sevenstarsastrology.com/lots-introducing-four-principal-lots/. Zuletzt abgerufen: 2.5.2019.

Wikipedia. Cleromancy. https://en.wikipedia.org/wiki/Cleromancy. Zuletzt aufgerufen: 24.4.2019.

Wikipedia. Fatalismus. https://de.wikipedia.org/wiki/Fatalismus. Zuletzt aufgerufen: 24.4.2019.

Wikipedia. Herrnhuter Losungen. https://de.wikipedia.org/wiki/Herrnhuter_Losungen. Zuletzt aufgerufen: 2.5.2019.

Internetseiten »Losungen«

Evangelische Brüder-Unität – Herrnhuter Brüdergemeine. https://www.losungen.de/die-losungen/.

Verlag am Birnbach – Bücher direkt GmbH. Die Jahreslosungen. http://www.jahreslosung.eu/.

Titelbild: Pixabay

Published by

Sindy 🕊️

Hermit soul, astrologer, Venus Star Point practitioner & teacher | 🇫🇮 🇩🇪 🇬🇧

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